4. Sitzung der Bremischen Bürgerschaft am 26.09.2019, TOP 12: Aktionsplan „Alleinerziehende“ auflegen

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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herzlichen Glückwunsch! Ich gratuliere der Regierungskoalition, dass Sie uns heute am Anfang der neuen Legislaturperiode einen Aktionsplan Alleinerziehende vorlegen. Nun ist das Thema nicht neu und die geneigten Verfolger des Themas, ebenso die Betroffenen, fragen sich: warum erst jetzt?

Seit Jahren sind die schwierigen Zustände von Alleinerziehenden vor allem hier in unserem Bundesland bekannt. 

Seit Jahren haben Alleinerziehende und ihre Kinder hier mit das höchste Armutsrisiko in unserer Republik. 

Wo wir wieder einmal feststellen können:

 - wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.

Aber stimmt auch der Satz: Was lange währt, wird endlich gut? 
Lassen Sie uns doch ihren Aktionsplan einmal genauer anschauen.

Im Juni habe ich als Abgeordnete die Chance gehabt im Rahmen eines Vor-Ort-Besuches das Modellprojekt Via mir anzuschauen.    
Ich bin überzeugt, dass wir Institutionen benötigen, die sich auf die Besonderheiten und Bedürfnisse der Alleinerziehenden spezialisieren. Trotzdem muss ich aber ein kleines Aber an dieser Stelle anbringen. Was war denn das erklärte und vereinbarte Ziel von VIA? Bevor wir ein dauerhaftes Arbeitsmarktprogramm auflegen, sollten wir auf jeden Fall erst einmal das laufende Modellprojekt wissenschaftlich evaluieren und schauen was ist gut und was könnte besser laufen. Des Weiteren stellt sich aber auch die Frage, weshalb ein neues Arbeitsmarktprogramm geschaffen werden soll, anstatt die Finanzierung des Projektes zu verstetigen und auszubauen. Die Erfahrungen und Netzwerke, die bisher gesammelt wurden sollten genutzt werden. Aufgebaute Strukturen sind Zeit und Geld wert. Genau sollten wir uns vor allem auch die Hinderungsgründe der Alleinerziehenden anschauen, die nicht im Projekt geblieben sind oder sich für einen anderen Weg entschieden haben.

Kommen wir zu der Aufgabe der Jobcenter und der Jugendberufsagentur, vielleicht können Sie uns hier auch schon einmal konkrete Ideen zur Stärkung der Betreuung von Alleinerziehenden benennen. Auch im Hinblick auf den Bereich der Alleinerziehenden mit Kindern unter drei Jahren muss sicherlich in den Jobcentern umgedacht werden. Stehen diese Eltern doch bisher wenig im Fokus der Arbeitsvermittler.

Besonders habe ich mich über Ihre Bestrebungen im Bereich der Teilzeitaus- und Weiterbildung gefreut. Bin ich doch selber seit Jahren eine Verfechterin der Ausbildung in Teilzeit, im Bund wurde dieses wichtige Thema bereits seit 2005 auf den Weg gebracht. Hier waren die Erfolge allerdings in unserem Bremen bisher nicht besonders von Erfolg gekrönt. Nur die Seestadt Bremerhaven war hier in Teilen allerdings weiter. Hier gilt es in erster Linie anzusetzen. Auch VIA hatte Probleme Unternehmen zu finden die sich darauf einlassen. Wenig Verständlich, dass es in einem Bundesland wie Bremen, solche Probleme gibt. Leiden doch viele Bremer Betriebe bereits heute unter einem Fachkräftemangel und fehlenden Azubis. Da wäre es doch selbstverständlich Familienfreundlichkeit im Unternehmen als Wettbewerbsfaktor zu erkennen. 

Um hier aber vernünftige Strukturen auch von Seiten Bremens anzubieten, müssen auch die schulischen Angebote angepasst werden. Eine Möglichkeit der Flexibilisierung von Anfangszeiten in der Schule wären zum Beispiel Selbstlernmodule, um Inhalte selbstständig einzeln oder in Lerngruppen zu erarbeiten die am Anfang und am Ende des Schultages liegen und Anfangs und Schlusszeiten flexibel gehandhabt werden können. Die Lehrer stehen in dieser Zeit als Coach zur Verfügung. Auch E-Learning Bereiche sind zur Vermittlung von Unterrichtsstoff vorstellbar.  Bereits heute gibt es dafür Best-Practice Beispiele z.B. in Berufsschulen in Hamburg. 

Gehen wir aber nun bei ihren Vorschlägen ins Detail.

Vergessen haben Sie aber in ihrem Aktionsplan den Gesichtspunkt der möglichen finanziellen Einbuße bei der Teilzeitausbildung. Das ist vor allem für die Alleinerziehenden häufig ein schwerwiegendes Hemmnis. Hier sollte überlegt werden, ob zum Beispiel für HÄRTEFÄLLE das Delta zwischen der Vollzeit- und der Teilzeitvergütung durch ein Darlehen überbrückt werden kann, oder in wieweit der Arbeitgeber motiviert werden kann, trotzdem die volle Ausbildungsvergütung zu zahlen. Die Alleinerziehenden würden es danken und die Finanzierung der Familie würde erleichtert. 

Und wo ich gerade schon bei den finanziellen Fragen bin. Begrüßen wir natürlich die Entbürokratisierung der Antragsverfahren und das bitte nicht nur für Alleinerziehende. 

Im Rahmen der Entbürokratisierung ist es aber zwingend angebracht die Bearbeitungszeiten zu beschleunigen. Leider ist das immer wieder ein Problem in Bremen - und das seit Jahren – und wir sollten überlegen, in wieweit man die Stellen für die Beantragung von Wohngeld, Unterhaltsvorschuss, Kindergeld und Kinderzuschlag zentralisiert und diese an einem Ort bündelt. Mit Reisen durch Bremen – damit ist wirklich niemandem geholfen.  Und ich meine auch die Digitalisierung von Antragsverfahren würde unserem kleinen Bundesland gutstehen. 
Hier heißt es also Informationsangebote für Familien zur Beratung von Leistungen verständlich für jedermann zu strukturieren, zu digitalisieren und an zentralen Anlaufstellen für Familien zu bündeln.

Wir als CDU-Fraktion haben wie dargestellt einige Anmerkungen zu diesem Aktionspapier, aber können die inhaltlichen Punkte in weiten Teilen nachvollziehen und unterstützen.